Häufig gestellte Fragen

  • Was ist forensische Linguistik (ganz kurze Antwort)?
    Die Anwendung der Sprachwissenschaft zur Aufklärung von Straftaten.
    Etwas genauer: eine Teildisziplin der Forensik und somit eine forensische Methode und außerdem eine Teildisziplin der angewandten Linguistik
  • Was sind die Voraussetzungen, die man braucht, um in der forensischen Linguistik zu arbeiten?
    Man sollte Linguistik studiert haben und computer-affin sein.
  • Warum sagt man "Authentizitätsfeststellung" und nicht "Urheberschaftsfeststellung" oder "Autorenerkennung" oder "-bestimmung" oder "Verfassererkennung" oder "-bestimmung"?
    Weil da die Urheberinnen, die Autorinnen und die Verfasserinnen nicht genannt würden.
  • Kann man nicht das englische "authorship attribution" übersetzen?
    Das wäre schön, aber bei der Übersetzung von "author" ins Deutsche ergibt sich das oben genannte Problem mit "Autor" und "Autorin", und "attribution" heißt ja "Zuschreibung"; ein prima Wort, aber die erste Hälfte des Kompositums stellt eben im Deutschen ein Problem dar.
  • Was ist "Sprachprofiling"? Und "Autorenprofiling"?
    Dabei geht es nicht um den Vergleich von zwei Texten (typischerweise eines sogenannten inkriminierten Textes und eines Vergleichstextes, also eines Textes, den eine verdächtig(t)e Person tatsächlich einmal geschrieben hat), sondern es werden Informationen über eine/n Verdächtige/n bzw. TäterIn anhand seiner/ihrer Sprache erlangt. Über die sprachlichen Merkmale soll auf bestimmte Eigenschaften der Person (Herkunft, ggf. Muttersprache, Persönlichkeitsmerkmale, Sozialisation, Alter, Geschlecht, Ausbildung, Fachkenntnisse, Bildungsstand) geschlossen werden. Diese Disziplin verlangt auch Kenntnisse in Kriminalpsychologie. Man sagt heutzutage "Sprachprofiling" und nicht "Autorenprofiling", weil bei die "Autoren" im "Autorenprofiling" männlich sind; da werden keine Frauen mitgenannt.
  • Wir wird man Sachverständige/r bzw. GutachterIn für forensische Linguistik?
    Die Bezeichnungen "Sachverständige/r" und "GutachterIn" sind nach deutschem Recht nicht geschützt. Wenn ABER ein missgünstiger Mitbewerber ein Verfahren nach dem UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) gegen Sie (wegen unlauteren Wettbewerbs) einleitet, müssen Sie in dem dann anstehenden Gerichtsverfahren den Beweis Ihrer fachlichen Kompetenz führen und eine entsprechende einschlägige Ausbildung bzw. einen Studienabschluss in Linguistik nachweisen. Gesichert anerkannt sind die "öbuv" Sachverständigen (hier ein YouTube-Erklärvideo, u. a. auch dazu, wie man "öbuv" wird: https://www.youtube.com/watch?v=sOH9leKa_y4&html5=1 [Titel:  IHK24 - Sachverstaendige]).
  • Wofür steht "öbuv"?
    für "öffentlich bestellt und beeidigt"
  • Wie findet man die "öbuv"-Sachverständigen? Wie ist die URL bzw. die Internet-Adresse der bundesweiten Datenbank aller öbuv Sachverständigen?
    https://svv.ihk.de
  • Wo im Gesetz ist die Bestellung der öbuv Sachverständigen geregelt?
    Gemäß § 404 (3) ZPO, § 73 Abs. 2 StPO und § 36 GewO sind - vereinfacht formuliert - öbuv Sachverständige von den Gerichten anderen Sachverständigen bzw. GutachterInnen, die nicht "öbuv" sind, vorzuziehen.
  • Wann sagt man "glaubhaft" und wann "glaubwürdig"?
    Ein Mensch ist "glaubwürdig", eine Aussage "glaubhaft"
  • Was ist der Unterschied zwischen Kriminalistik und Kriminologie?
    Bei der Kriminalistik geht es um Polizeiarbeit, also um die praktische Verbrechensverhütung und -bekämpfung und die Strafverfolgung.
    Bei der Kriminologie geht es um die eher theoretische Erforschung der Ursachen krimineller Delikte mit Phänomenologie, Anomie (soziale Desintegration etc.), Kriminalstatistik, -soziologie, -psychologie, -psychiatrie, Viktimologie (Opfer-Lehre), Ätiologie (Lehre von den Ursachen kriminellen Verhaltens) etc.
  • Was sind die Teildisziplinen der forensischen Linguistik?
    Knapp: Sprache als Streit- und Unter­suchungs­gegenstand + Rechtslinguistik, Kompetenzen der Kommunikationsbeteiligten + Wirkung von sprachlichen Äußerungen (spez. Texte), sprachliches Verhalten bei der Polizei und im Gerichtssaal + Sprache als Beschreibungs- und Schulungsgegenstand; weiter unten auf dieser Seite und hier als PDF zum Ausdrucken: PDF "Teildisziplinen der forensischen Linguistik".

Was hat es mit den "Thormann'schen Treppenstufen" auf sich?

Es geht darum, Hypotaxe, also die Satzkonstruktion mit Unter- und Überordnung von Sinneinheiten - oder simpel gesagt - die Abfolge von Haupt- und Nebensätzen, grafisch darzustellen.
Für eine ansprechende und leicht verständliche Darstellung der Ergebnisse quantitativer Untersuchungsverfahren bietet die deskriptive Statistik viele Möglichkeiten (u. a. Torten-, Mosaik-, Ring-, Netz- und Balkendiagramme, …). Damit auch die Ergebnisse qualitativer Verfahren, und zwar speziell die zur Hypotaxe im Satzbau, angenehmer zu „lesen“ und leichter zu verstehen sind, stelle ich das „Auf“ und „Ab“ bei der Hypotaxe so dar, dass es aussieht wie Treppenstufen. Rechts sehen Sie ein Beispiel, allerdings wären so kurze Texte „im Ernstfall“ viel zu kurz.


Welche Rolle spielt das Gendern?

Es gibt immer häufiger auf Authentizität zu untersuchende Texte, in denen "gendergerechte Sprache" verwendet wird. Da es viele Möglichkeiten des Genderns gibt, ist dies ein großes Gebiet.

Hier zunächst zur Belustigung ein paar Kuriositäten:

  1. Zu was das Gendern führen kann: Im letzten Monat gab es wieder drei tote Radfahrende durch unvorsichtig rechtsabbiegende Lastkraftwagen.
  2. Was juristisch kritisch sein könnte: Es ist dem Mieter nicht zuzumuten, dass Fotos von seiner Wohnung Unbekannten zugänglich gemacht wer-den. Kann man es der Mieterin zumuten?
  3. Zum Glück heißt es Mietshaus (nicht Mieterhaus) und Mietvertrag (nicht Mietervertrag).
  4. Es ist üblich, Bauherrin und nicht Baudame zu sagen; vermutlich wird es trotz einzelner anderslautender Wünsche dabei bleiben. Es gibt auch schon lange die Haus-/Schlossherrin.
  5. Angst ist ein schlechter Berater oder Angst ist eine schlechte Berater:in? Es ist die Angst.
  6. Was wird aus: Der Gast ist König? Der männliche bzw. weibliche Gast ist König:in? Oder – beschränkt auf die weibliche Person Die Gästin ist Köni-gin? Der Duden führt (am 01. September 2023) „die Gästin“ auf.
  7. Aus Wer geht morgen zum Bäcker? wird Wer geht morgen zum Bäcker bzw. zur Bäckerin? bzw. besser Wer holt morgen die Brötchen?
  8. Konsequentes Nennen beider Geschlechter führt zu langen, umständlichen Formulierungen wie Ein Muttersprachler bzw. eine Muttersprachlerin wür-de einen solchen Satzbau-Fehler nie machen. und Der gewählte Spielpart-ner bzw. die gewählte Spielpartnerin sitzt jeweils gegenüber.
  9. Was wird aus Da braucht man einen Profi.? Das kann man nicht ersetzen durch Da braucht man jemanden, der das richtig gelernt hat., denn das wäre ja wieder maskulin. Also so: Da braucht man eine Person, die das richtig gelernt hat.? Und wie gendert man diesen Satz: Hier sieht man, wie jemand, der sonst eigentlich ganz souverän ist, wenn er so derart beleidigt wird, Fehler macht, die er sonst nicht macht.? (so: Hier sieht man, wie eine Person, die sonst eigentlich ganz souverän ist, wenn sie so derart beleidigt wird, Fehler macht, die sie sonst nicht macht.?) und Jemand/Jeder, der ei-nen ganzen Tag diese Arbeit gemacht hat, wird am nächsten Tag seine Muskeln in Form eines heftigen Muskelkaters spüren. (so: Eine/Jede Person, die einen ganzen Tag diese Arbeit gemacht hat, wird am nächsten Tag ihre Muskeln in Form eines heftigen Muskelkaters spüren.)?
  10. Ist ein Satz wie Ich kann es nicht leiden, wenn jemand es nicht zugibt, dass er eine Grenze überschritten hat. umzuformulieren in Ich kann es nicht leiden, wenn eine Person (ein Mensch) es nicht zugibt, dass sie (er) eine Grenze überschritten hat.?
  11. Wie geht man mit einem solchen nicht „gegenderten“ Satz um: Manchmal möchte man in einem Gespräch nur feststellen, ob man mit seiner Meinung allein auf weiter Flur steht oder ob andere auch so denken.? Das Possessivpronomen seiner ist maskulin.
  12. Wie nennt man die weibliche Variante von Komposita, die zwei oder mehr maskuline Elemente haben? TischlerinnenGesellin? Bürger:innenMeister:innenStellvertreter:in?
  13. Historisch rückwärts gerichtetes Gendern führt zu Sätzen wie Im ersten Weltkrieg sind viele SoldatInnen gefallen. Und wenn jemand sagt Der König ließ am Tor eine weitere Wache aufstellen.: Ist (war) diese Wache männlich oder weiblich?

Zu den vielen Varianten hier eine Auflistung in Tabellenform: PDF zum Downloaden

Teildisziplinen der forensischen Linguistik

  • Authentizitätsfeststellung  (Autoren-/Verfassererkennung und -bestimmung, Urheberschaftsfragen), Sprache als Streit- und Unter­suchungs­gegenstand
  • Texte aller Art als Beweismittel vor Gericht (mutmaßlich gefälschte Verfügungen von Todes wegen/‌Testamente, [kodierte] Absprachen im Darknet, Love Scamming, Texte auf Beur­tei­lungs-Plattformen
  • Sprache/Texte als Medium kriminellen Handelns, u. a.  Erpressung, Bedrohung, Ehrverlet­zungs­delikte (Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung), Vortäuschen einer Straftat, Beste­chung(sver­such), Mobbing, Nöti­gung(sversuch), Hetz-/Schmutzkampagnen, Volksverhetzung, Anstiftung usw.
  • Dialektologie und Regiolektologie
  • Fälschungs-Erkennung (u. a. Urkunden, Zeugnisse; Abschiedsbrief bei Suizid evtl. erzwungen, echtes Bekenner­schreiben vs. Trittbrettfahrertexte)
  • Erkennung dezeptiver Strategien (Verstellung, z. B. Dt. als Muttersprache vs. Dt. als Fremd­sprache; Tarnung von Verfassern spez. bei Erpressung, Nötigung und anonymer Bedrohung)
  • Plagiat-Erkennung (Literatur, Wissenschaft, akadem. Arbeiten)
  • Hand- und Maschinenschrift-Untersuchung (kriminaltechnische Untersuchungen [Schreib­systeme, MIC/[Machine Identification Code], „tracking dots“ bei Farbausdrucken), Forensische Handschriften­analyse (ca. Graphologie)
  • Glaubhaftigkeits-Beurteilung

(spez. v. Zeugenaussagen [Undeutsch-Hypothese]; merkmalsorientierte Inhalts­analyse, internat. CBCA [criteria-based content analysis], Lügen-Erkennung, Erkennen von Be­fan­genheit), kognitive Linguistik, Sprach-/Textpsychologie, Psyketing (Psychologie + Mar­keting), Ursachen bestimmter Ausdrucksweisen, Glaubwürdigkeits-Beurteilung (Kriminalpsychologie, Psycholinguistik, lingu­i­sti­sche Psychologie, forensische Psychologie

  • Texte im Marken- und Patentrecht
  • Phonetik (Stimm-Erkennung, -Vergleich, Sprecherprofile, Transkription)
  • Verständlichkeits-Beurteilung, Auslegung, Authentizität
  • Vereinbarungen, Verträge, Definitionen, Versicherungskonditionen, Anweisungen, Verbraucherinformationen, Instruktionen aller Art, Gebrauchsanweisung, Beipackzettel [evtl. irreführend, missverständlich]
  • Beleidigende [Anspielungen enthaltende] veröffentlichte Texte [auch Rapsong-Texte], Plakate
  • Behördenanschreiben (z. B. Bescheid), Belehrung, Gesetzestexte, Protokolle (Vernehmungsprotokolle: Beschuldigten-, Zeugenvernehmung), Transkriptionen (z. B. von Abhörprotokollen)
  • Beschilderung (evtl. irreführend, missverständlich)
  • Kurz-Mitteilungen aller Art (mit besonderer Berück­sichtigung von Textsorten und Medien/Social Media wie Tweets, Facebook-, Instagram-, WhatsApp-, Tiktok-Nach­richten, Chatroom-Inhalten, Memes), Erkennen von Social Bots
  • Sprache (inkl. Texte) und ihre Wirkung

sprachliches Verhalten bei der Polizei und im Gerichtssaal

  • Sprechhandlungen durch die Exekutive (Polizei), Judikative (Gericht) und der Organe der Rechtspflege; von Sachverständigen (Darstellung, Schlüssigkeit, Beweiskraft von Aussagen), Befehl, Anordnung, Beweisbeschluss
  • Behördenanschreiben (z. B. Bescheid), Gefährderansprache (und -anschreiben), Beleh­rung, Vernehmung > Ge­ständnis, Zeugenaussage, Rechtsbeugung, Einschüch­terung, “Sanktionsschere” [Rechts­widrigkeit von Verstän­digung im Straf­verfahren], innere Schlüssigkeit und möglicher Widerspruch zum Akteninhalt, Trans­pa­renz- und Mit­tei­lungs­gebote, das “letzte Wort” des Angeklagten vor der Urteilsfindung)
  • Besonderheiten bestimmter Sprecher/Schreiber (traumatisierte Personen/Opfer, Kinder, Menschen mit kogni­tiven Einschränkungen im weitesten Sinne [nach Schlaganfall usw.], Notwendigkeit „Leichter Spr.“)
  • Verdolmetschung, Übersetzung
  • Sprache als Beschreibungs- und Schulungsgegenstand
  • Schulung von Nicht-Juristen/-Juristinnen (Sachverständige, DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen); „Rechtssprache“ (Umfang, Didaktik usw. [siehe auch Lehrbuch "Rechtssprache"])

 

ENDE TEILDISZIPLINEN, weitere Fragen ..

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Bundesweite Datenbank aller öbuv Sachverständigen

Die bundesweite Datenbank, in der alle "öbuv" Sachverständigen (öbuv=öffentlich bestellt und beeidigt) aufgeführt sind, finden Sie hier:

https://svv.ihk.de.

 

 

 

Was ist eigentlich "Sprachprofiling" im Vergleich zur "Authentizitätsfeststellung" (bzw. "Autorenerkennung") mittels Sprachvergleich"?

Beim "Sprachprofiling" werden nicht Texte miteinander verglichen, sondern ein Text (von einem/einer VerfasserIn, der/die anonym bleiben will) wird untersucht, um über die sprachlichen Merkmale auf bestimmte Eigenschaften des Verfassers bzw. der Verfasserin – wie Herkunft und ggf. Muttersprache, Persönlichkeitsmerkmale, Sozialisation, Alter, Geschlecht, Ausbildung, Fachkenntnisse und Bildungsstand – zu schließen.
Der Begriff "Sprachprofiling" ist nicht geeignet als ein Synonym für Authentizitätsfeststellung (oder Autoren- oder Verfasser- oder Urheberschafts-Erkennung bzw. -Bestimmung). Beim Sprachprofiling wird ein sehr breites Spektrum von Verfahren zur Untersuchung sprach­licher Auffälligkeiten eingesetzt. Es ist speziell dafür geeignet, Eigenschaften einer Person zu erahnen, die beispielsweise einen anonymen Drohbrief verfasst hat, wenn kein konkreter Verdacht bezüglich einer Person oder Personengruppe vorliegt.
Autorenerkennung und -bestimmung hingegen zielt darauf ab, den/die VerfasserIn eines anonym verfassten Textes zu identifizieren, indem dessen/deren Sprach- bzw. Schreibstil mit dem in einem Vergleichstext (oder Vergleichstexten) verglichen wird, der (die) von dieser Person geschrieben wurden.